Impulse des kirchlichen Assistenten
Vorbereitung auf Weihnachten
Im Advent begegnet uns in den Texten der Liturgie Johannes der Täufer. Er weist mit seiner Predigt darauf hin, wie man sich auf Weihnachten vorbereiten soll. Gemeint sind nicht die Vorbereitungen, wie man sie gewöhnlich vor Weihnachten vornimmt: Die Wohnung putzen, den Christbaum besorgen, Geschenke einkaufen oder Kekse backen. Es geht nicht um diese äußerlichen Vorbereitungen, sondern es braucht Vorbereitungen im Menschen selbst und in seinen Beziehungen. Die Vorbereitungen, die Johannes meint und die uns guttun würden, sind Umkehr und Versöhnung.
Umkehr, das heißt: Mit ganzem Herzen annehmen, was uns das Evangelium sagen will, und den lieben, der es sagt, nämlich Jesus Christus. Eine Folge dieser Umkehr wird sein: Unsere Bereitschaft zur Versöhnung.
„Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! … Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden“ (Lk 3,4-5). – Was schief ist in unseren Beziehungen, das soll wieder gerade werden; was abschüssig ist und verkrümmt in unserem Denken, das werde wieder eben. – Der Grund, warum wir das erstreben und uns darum bemühen sollen, ist: Damit Weihnachten wird und Jesus Christus zu mir kommen kann. Damit ich ihm begegnen kann.
P. Peter Gangl SJ
peter.gangl(at)jesuiten.org
9. Dezember 2024
Die Wiederkunft des Herrn
Am Ende des Kirchenjahres sprechen die Texte der Verkündigung häufig von Achtsamkeit und von Wachsamkeit. Im Hintergrund steht nicht eine selbstgefällige „Woke-Ideologie“, die Menschen vorschreiben möchte, was sie denken, reden oder tun dürfen, und was nicht, sondern es geht um Achtsamkeit für die Wiederkunft des Herrn, auf die wir als gläubige Christen hoffen.
Die Evangelien sprechen von der Wiederkunft Christi, die plötzlich und unerwartet geschehen wird. Die einen stehen dieser Wiederkunft teilnahmslos gegenüber. Sie leben in den Tag hinein. Die anderen sind wachsam und erwarten den Tag, an dem Christus wiederkommen wird.
Wachsam sein, das ist die Fähigkeit, sich von den Dingen des Alltags nicht derart in Beschlag nehmen zu lassen, dass dabei der Blick nach oben, der Blick auf Jesus Christus, verloren geht. Wachsam sein, das ist die Fähigkeit, sich von den Ereignissen, die uns in dieser Zeit bedrängen, nicht verunsichern zu lassen.
Achtsam sein, das heißt in der Gegenwart leben und der Verheißung entgegengehen, die Christinnen und Christen bereitet ist. Diese Verheißung – das Reich Gottes – ist uns jetzt schon gegenwärtig. Es wird spürbar im Wort Gottes, in den Sakramenten, in der Gemeinschaft derer, die Jesus nachfolgen.
P. Peter Gangl SJ, 18. November 2024
Unser Gebet für die Verstorbenen
Am Allerseelentag beten wir für die Verstorbenen zu Gott: „Führe sie vom Tod zum Leben, aus dem Dunkel zum Licht, aus der Bedrängnis in deinen Frieden“ (Schlussgebet der Allerseelenmesse). Aus diesen Worten spricht die Ahnung, dass die Verstorbenen womöglich ihr Ziel noch nicht erreicht haben und zuerst der Läuterung bedürfen, damit sie zum Leben, zum Licht und zum Frieden finden. Diesen Zustand der Läuterung bezeichnet die katholische Lehre mit dem Begriff „Fegefeuer“.
Um in die Gemeinschaft mit Gott eintreten zu können, müssen wir von allem gereinigt werden, das uns hindert Gott zu begegnen. Das geschieht im Fegefeuer. – Was aber ist dieses Feuer? Es ist die heilende Kraft der Liebe Christi, durch die jede Spur der Anhänglichkeit an das Böse in uns beseitigt wird.
Am Allerseelentag gedenken wir unserer verstorbenen Brüder und Schwestern. Mit ihnen sind wir verbunden, denn sie sind Teil des mystischen Leibes Christi. Zu diesem Leib gehören die Heiligen im Himmel, die Seelen im Fegefeuer und wir, die pilgernde Kirche auf Erden. Durch unser Gebet helfen wir den Verstorbenen, die vielleicht eine letzte Läuterung brauchen, um in die Freude des Himmels zu gelangen.
P. Peter Gangl SJ, 2. November 2024, Allerseelen
Freundschaft mit Jesus
Ignatius von Loyola und Teresa von Ávila vereint nicht nur ihre Heimat Spanien, sie wurden auch am gleichen Tag heiliggesprochen. Darüber hinaus teilen sie ein wichtiges Element ihrer Spiritualität: Die Freundschaft mit Jesus.
Ignatius gibt die Anweisung, dass man mit Jesus so sprechen soll, „wie ein Freund mit seinem Freunde spricht“ (EB 54). Für Teresa ist Beten „Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt“ (Das Buch meines Lebens, 8.5).
Zur Freundschaft mit Jesus ermutigt auch das Evangelium. Jesus nennt die Seinen Freunde (Joh 15,15). – Die Freundschaft mit Jesus kann freilich nur Bestand haben, wenn wir uns dafür Zeit nehmen. Es geht darum, die Freundschaft zu pflegen. Zeit zu investieren für die Beziehung, für das Gespräch mit dem Herrn, für das Zusammensein mit ihm.
Es ist ähnlich, wie in einer Freundschaft mit einem Menschen. Auch da muss etwas investiert werden. Man muss sich Zeit nehmen, damit die Beziehung nicht erkaltet oder gar abbricht. Menschen, die wir lieben, mit ihnen verbringen wir gern und oft unsere Zeit. Warum nicht auch mit Jesus?
P. Peter Gangl SJ, 15. Oktober 2024, Gedenktag der Hl. Teresa von Ávila
Mit Maria, der Mutter Jesu
Im Laufe eines Kirchenjahres feiern wir mehrere Feste und Gedenktage, die uns an Maria, die Mutter Jesu, erinnern. Maria ist das Urbild eines vertrauend-glaubenden Menschen. Durch ihr Wort und ihre Zusage: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38), hat sich Maria dem Willen Gottes geöffnet und seiner Menschwerdung den Weg bereitet. Maria ist das menschliche Medium, damit die Heilstaten Gottes Wirklichkeit werden konnten.
Um eine Person verstehen zu können, muss man sich ihr ganz zuwenden. Um das Besondere an Maria verstehen zu können, muss man sich ihr ganz zuwenden. Nur wer den Menschen Maria ehrt, der hat auch Aussicht, dem Geheimnis Marias näher zu kommen.
Als Möglichkeit solcher Verehrung ist uns das Rosenkranzgebet geschenkt. Es ist eines der schönsten Gebete der katholischen Kirche. Mit Maria, der Mutter Jesu, schauen wir auf Jesus Christus. Das Rosenkranzgebet bringt uns in eine enge Verbindung mit dem Leben, dem Leiden und mit der Herrlichkeit des Herrn. Was für einen oberflächlichen Menschen als eintönig erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine Chance, aus äußerer Zerstreuung zu mehr Innerlichkeit zu kommen. Maria zeigt uns den Weg dorthin.
P. Peter Gangl SJ, 1. Oktober 2024
Worum geht es?
Öfters liest man in den Evangelien, dass Jesus in Konflikt mit den Schriftgelehrten und Pharisäern gerät. Jesus geht es dabei nicht um den Konflikt. Er ist keine streitsüchtige Person. Sondern es geht ihm um die Verkündigung des Reiches Gottes.
Es gibt Situationen im Leben, wo man Stellung beziehen muss, auch auf die Gefahr hin, sich unbeliebt zu machen. Die eigene Meinung kundzutun, das kann Konflikte produzieren. – Hier ist jedoch eine Unterscheidung wichtig: Es gibt Menschen, die den Konflikt suchen. Sie wollen unbedingt Opposition wecken, weil sie damit Aufmerksamkeit erregen können.
Das ist freilich nicht die Praxis Jesu. Wenn Jesus Stellung bezieht gegenüber den Schriftgelehrten und Pharisäern, dann geht es ihm nicht um sich selbst. Er stellt sich nicht selbst in den Mittelpunkt, sondern die Verkündigung des Reiches Gottes.
Manchmal drängt sich mir die Frage auf: Geht es bei so manchen Diskussionen, die heute in der Kirche geführt werden, wirklich immer um die Sache oder steht dahinter nicht oft das übersteigerte Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Selbstdarstellung?
Versuchen wir in unserem Sprechen das Reich Gottes in den Mittelpunkt zu stellen. Also nicht uns selber oder unsere Lieblingsideen, sondern das klare Licht des Evangeliums.
P. Peter Gangl SJ, 16. September 2024
Johannes, der unliebsame Mahner
In der katholischen Kirche gedenkt man am 29. August der Enthauptung Johannes‘ des Täufers. Weil Johannes das sittenlose Leben des Königs Herodes kritisiert hatte, musste er sterben (Mk 6,17-29). - Menschen, die unangenehme Wahrheiten aussprechen, sind unbequem und sie werden angefeindet, ausgegrenzt, gemobbt oder mundtot gemacht. Zu jeder Zeit hat es das gegeben. Man denke an die Propheten im Alten Testament, die Widerspruch und Verfolgung erlebt haben, weil sie den Götzendienst des Volkes Israel kritisierten.
Ich frage mich: Auf welche Missstände würde Johannes der Täufer heute aufmerksam machen? Worauf würde er den Finger legen? Auf die rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt und den Klimawandel? Auf die massenhafte Tötung ungeborener und schutzloser Kinder im Mutterleib? Auf die zur Mode gewordene Missachtung oder Verhöhnung christlicher Werte und Traditionen? Auf …
Bitten wir, dass der Kirche immer wieder Menschen geschenkt werden, die nach dem Beispiel Johannes‘ des Täufers beim Namen nennen, was gegen Gottes Gebot ist und unerschrocken für den Anspruch des Evangeliums eintreten.
P. Peter Gangl SJ, 29. August 2024, Enthauptung Johannes‘ des Täufers
Vertrauen auf Gottes Führung
Nach seiner Bekehrung wollte Ignatius von Loyola nach Palästina reisen, um die Muslime zu Christus zu bekehren und dort für immer zu bleiben. Im Juli 1523 ging er in Venedig aufs Schiff (Bericht des Pilgers 43). – Aus der Absicht, „für immer zu bleiben“, wird nur ein kurzer Aufenthalt. Die kirchliche Autorität in Jerusalem wies ihn ab, weil man mit Pilgern wie Ignatius schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Ignatius wurde befohlen, das Land zu verlassen. Man könnte sagen: Er wurde abgelehnt und hinausgeworfen.
Die Erfahrung, abgelehnt zu werden, findet sich auch im Leben Jesu. Jesus wird in seiner Heimat nicht anerkannt: „Sie nahmen Anstoß an ihm“ (Mk 6,3). – Jesus ist deshalb nicht verbittert. Er zieht weiter in die benachbarten Dörfer. Dort ist er willkommen (vgl. Mk 6,6).
Weil Ignatius nicht in Jerusalem bleiben konnte, kehrte er in seine Heimat zurück und begann mit dem Studium. Später gründete er den Jesuitenorden. Sein Weg führte ihn schließlich nach Rom. In einer Zeit, in der der katholische Glaube starkt bedroht war, sind Ignatius und der neue Orden dort willkommen.
Sich nicht kränken, wenn man abgelehnt wird, sondern weiterziehen und andere Wege gehen. Das können wir von Jesus und von Ignatius lernen. Vertrauen wir dabei ganz auf Gottes barmherzige Führung.
P. Peter Gangl SJ, 31. Juli 2024, Fest des Heiligen Ignatius
Sich Gott überlassen
Vom Heiligen Ignatius von Loyola ist das Wort überliefert: „Die meisten Menschen ahnen nicht, was Gott aus ihnen machen könnte, wenn sie sich ihm überlassen würden.“ - Ignatius hat gemeint, dass viele Menschen gar nicht wissen, was die Gemeinschaft mit Gott geben kann, welche Bereicherung für das Leben daraus erwächst. Vorausgesetzt, dass man sich Gott überlässt und in Gemeinschaft mit ihm lebt.
Jeden Tag können wir Gemeinschaft mit Gott haben, wenn wir uns ihm überlassen: Wenn wir beten oder in der Heiligen Schrift lesen; wenn wir Eucharistie feiern und die Sakramente empfangen. Oder wenn wir unsere Sorgen und täglichen Mühen Gott aufopfern; auch das führt uns zu Gott hin.
Sich Gott überlassen und Gemeinschaft mit ihm haben, das ist der Weg, auf dem unser Leben gelingt. Wir werden entdecken, dass wir in vielem besser zu Recht kommen, wenn wir bei unserem Tun auf Gott schauen. Wenn wir in der Gottverbundenheit leben, dann können in uns gute Kräfte sichtbar werden, von denen wir nicht geglaubt haben, dass wir sie besitzen. Ignatius meint: „Die meisten Menschen ahnen nicht, was Gott aus ihnen machen könnte, wenn sie sich ihm überlassen würden.“
P. Peter Gangl SJ, 17. Juli 2024
Gottes Wort glauben
Das Fest Mariä Heimsuchung, das am 2. Juli gefeiert wird, nimmt Bezug auf die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth, wie sie im Lukasevangelium erzählt wird (Lk 1,39-56). Elisabeth, die als unfruchtbar galt, erwartet ein Kind. Auch Maria ist eine Geburt verheißen.
Elisabeth und Maria sind gerufen, Werkzeug in der Hand Gottes zu sein. Beide sind erfüllt vom Heiligen Geist. Diese Fülle äußert sich in dem Wort, das Elisabeth zu Maria spricht: „Selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Elisabeth und Maria vertrauen darauf, dass Gott zu seinen Verheißungen steht, auch wenn der Weg dorthin nicht klar erscheint.
Leben wir in solchem Glauben an das Wort Gottes? Trauen wir Gott noch etwas zu in unserer Welt und in unserem Leben? Und wie verlässlich ist eigentlich unser Glaube? – Bei vielen ist die Grenze ihres Glaubens bereits dann erreicht, wenn der Verstand an seine Grenzen gekommen ist.
Das Wort Elisabeths an Maria soll uns ermutigen, diesen beiden Frauen im Glauben zu folgen, auch wenn wir Gottes Pläne mit uns nicht durchschauen oder verstehen können. Wer trotzdem glauben kann, dass Gottes Wort verlässlich ist, ist seligzupreisen.
P. Peter Gangl SJ, 2. Juli 2024, Fest Mariä Heimsuchung
Aloisius Gonzaga
In den Marianischen Kongregationen, aus der die GCL hervorgegangen ist, genoss der Hl. Aloisius Gonzaga (1568-1591) eine besondere Verehrung. Aus vornehmem Haus stammend, ist er mit fünfzehn Jahren in den Jesuitenorden eingetreten, obwohl er eine glänzende Karriere vor sich gehabt hätte. Er aber entschied sich, das Reich Gottes zu suchen, alles aufzugeben, um Größeres zu erfassen.
Aloisius Gonzaga besaß eine innere Freiheit, die wir uns nur schwer vorstellen können, weil wir uns an so viele Unfreiheiten, an so viele Bindungen gewöhnt haben. Im Reich Gottes gibt es nur eine einzige Bindung: Die Bindung an Jesus Christus. Dieses Reich mit seiner Bindung sollen wir suchen.
Wir finden es, wenn es uns gelingt, uns von dem zu befreien, was uns bindet. Es gibt vieles, woran Menschen hängen und gebunden sind, nicht nur an Materielles. Wir hängen an Ideen, die wir haben, wir hängen an der Vergangenheit, wir hängen an Kränkungen, die uns zugefügt wurden, wir hängen an Personen, wir hängen an uns selber. Jesus sagt: Lass los, um frei zu sein für mich! – Dabei kann uns Aloisius Gonzaga ein Fürsprecher sein, wie er es früher in den Marianischen Kongregationen gewesen ist.
P. Peter Gangl SJ, 21. Juni 2024, Fest des Heiligen Aloisius Gonzaga
Herz-Jesu-Fest
Ein Herz für jemanden haben, das heißt: jemanden lieben. Genau darum geht es beim Herz-Jesu-Fest. Im Mittelpunkt dieses Festes, dessen Verbreitung der Jesuitenorden sehr gefördert hat, steht die Liebe Gottes zu den Menschen, die in der Hingabe Jesu am Kreuz sichtbar wird. „Am Kreuz erhöht hat er sich für uns dahingegeben aus unendlicher Liebe“ – so heißt es in einem Text der Liturgie dieses Festtages.
Wie aber wird die Liebe Gottes für uns erfahrbar? Sie wird erfahrbar in den Sakramenten der Kirche. Sakramente, das sind Zeichen der Liebe Gottes, bei denen er uns in konkreten Situationen des Lebens seine Liebe und Nähe schenkt. Und Jesu Herz ist die Quelle der Sakramente! So bringt es der schon zitierte liturgische Text zum Ausdruck: „Aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles“.
Jesu Herz ist ein Zeichen dafür, was Gott an den Menschen getan hat und durch den Dienst der Kirche auch heute noch tut. Die Sakramente sind der Kirche anvertraut, damit Gottes Liebe und Nähe durch den Dienst des geweihten Amtsträgers immer spürbar und erfahrbar bleibt.
P. Peter Gangl SJ, 7. Juni 2024
Das Geheimnis Gottes verstehen
Das jährliche Pfingstfest erinnert uns daran, dass uns als Getaufte der Heilige Geist geschenkt ist. Der Heilige Geist, der uns hilft, das Geheimnis Gottes zu verstehen, das uns in Jesus Christus offenbar geworden ist: Gott hat den Menschen so sehr geliebt, dass er seinen Sohn gesandt hat, um uns seine Liebe zu zeigen.
Jesus möchte allen diese Liebe des Vaters offenbaren. Jedoch gibt es da eine Grenze: Es geht nicht ohne die Mitwirkung des Menschen. Der Mensch muss sich der Liebe Gottes öffnen; und er kann sich ihr auch verschließen. Sich der Liebe Gottes öffnen, das heißt glauben, dass Gott mich liebt, darauf vertrauen, dass er mir die Erfüllung meines Lebens schenkt. Sich der Liebe Gottes öffnen, das heißt glauben und vertrauen.
Glauben und vertrauen, das ist etwas vom Schwierigsten. Oft meint der Mensch, die eigene Weisheit und Klugheit reichen aus, um Erfüllung zu finden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Erst wenn wir auf unsere eitle Weisheit und Besserwisserei verzichten, dann kann der Heilige Geist in uns seine Kraft entfalten. Denn das Wesentliche des Glaubens ist nicht, Gott zu begreifen, sondern ihn zu lieben und ihm Vertrauen zu schenken.
P. Peter Gangl SJ, 20. Mai 2024
Mut zum Bekenntnis
Am 4. Mai feiert man in der Diözese Linz das Hochfest des Heiligen Florian und der Märtyrer von Lorch. In der Christenverfolgung des Jahres 304 haben sie das Martyrium erlitten, weil sie sich dem römischen Götterkult verweigerten und ihr Bekenntnis zu Jesus Christus wichtiger nahmen als ihr eigenes Leben. Diese Glaubenszeugen machen uns aufmerksam, dass Nachfolge Jesu ernstliche Konsequenzen haben kann. Sich zu Jesus Christus zu bekennen, kann Ausgrenzung und Verfolgung nach sich ziehen.
Wir haben das Glück, dass wir als Christen nicht verfolgt werden. In unserem Land darf Religion frei ausgeübt werden. Und doch kann auch bei uns einem bekennenden Christen etwas abverlangt werden. Der gesellschaftliche Druck kann groß sein. Es kann vorkommen, dass man belächelt wird, wenn man sich zu Glaube und Kirche bekennt. Oder, dass man nicht ernst genommen wird, wenn man aus christlicher Überzeugung seine Meinung ausspricht.
Lassen wir uns davor nicht ängstigen! In Momenten der Ausgrenzung sollte man auf die Macht Gottes schauen, nicht auf die eigene Ohnmacht. Wir sind herausgefordert, uns zu dem zu bekennen und dafür einzustehen, was unser christlicher Glaube ist. Gerade in der heutigen Zeit und in der Gesellschaft, in der wir leben.
P. Peter Gangl SJ, 4. Mai 2024
Verstehen, was den Nächsten bewegt
Sich einem anderen Menschen zu öffnen, etwas von sich mitzuteilen, was nicht oberflächlich oder nur belanglos ist, das fällt gar nicht so leicht. Zumindest mir geht es so. Ich frage mich: Kann ich meiner Zuhörerin vertrauen? Bleibt das, was ich sage, unter uns? Werde ich mit dem, was mich bewegt, ernst genommen?
Oft sind Menschen auch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um wirklich zuhören zu können, was den anderen bewegt. Jesus hat das im Umgang mit seinen Jüngern erlebt. Obwohl er ihnen alles von sich mitgeteilt hatte, bleiben sie doch fern von ihm.
Die Frage, die Jesus im Johannesevangelium stellt, deutet hin auf dieses Fern-Sein der Jünger: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus?“ (Joh 14,9) - Die Freunde Jesu tun sich offenbar schwer, ihn wirklich zu verstehen.
Die Schwerfälligkeit der Jünger hat Jesus in Geduld ertragen. Er hat sich deshalb nicht von ihnen abgewendet. Wenn auch wir immer wieder einen neuen Anlauf brauchen auf dem Weg des Glaubens, so dürfen wir doch vertrauen, dass der Herr sich nicht von uns abwendet und uns trotzdem seine Freundschaft schenkt.
P. Peter Gangl SJ, 19. April 2024
Begegnung mit dem Auferstandenen
Eine bekannte Ostererzählung ist die Geschichte von den beiden Jüngern, die unterwegs sind nach Emmaus (Lk 24,13-35). Sie sind deprimiert von den Ereignissen, die sie in Jerusalem erlebt haben. Jesus, auf den sie ihre Hoffnung gesetzt hatten, wurde hingerichtet. Da kommt ein Fremder und geht mit ihnen. Der Fremde greift ihre Hoffnungslosigkeit auf und versucht den beiden verstehbar zu machen, dass man die Ereignisse von Jerusalem auch anders sehen kann. Er wird zum Essen eingeladen, und beim Brotbrechen erkennt man ihn: Es ist Jesus, der Herr.
Wesentliche Elemente unseres Christ-Seins kommen hier vor. Da ist der Weg, den die Jünger gehen. Auch wir können unser Leben als einen Weg begreifen. Auf diesem Weg kann es Bedrücktheit und Hoffnungslosigkeit geben. – Die Jünger sind zu zweit unterwegs. Auch wir gehen unseren Weg hoffentlich nicht alleine. Als Christen sollten wir uns in Freude und Leid gegenseitig Wegbegleiter sein.
In der Mitte der Geschichte ist das gemeinsame Mahl mit Jesus. Mitten in unserem Leben ist die Feier der Eucharistie. Durch den Dienst und in der Person des geweihten Priesters bricht Jesus für uns das Brot. So geschieht auch heute Begegnung mit dem Auferstandenen.
P. Peter Gangl SJ, 31. März 2024
„Mache alles neu“
Der Welt-GCL-Tag in diesem Jahr steht unter dem Motto „mache alles neu“. Diese Worte erinnern mich an die Offenbarung des Johannes, wo es heißt: „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5). – Gemeint ist nicht der moderne Mensch, der in seinem Hochmut alles neu erfinden möchte, sondern Gott ist es, der in seiner Liebe das Neue bewirkt.
Damit begonnen hat er in Maria, der Jungfrau, die vom ersten Augenblick ihres Daseins vor jeder Sünde bewahrt blieb, um Gottes Sohn eine würdige Wohnung zu bereiten. Maria ist der neue Mensch, der sich Gott überlässt, damit ER alles neu machen kann.
Gott macht alles neu! Und er möchte auch aus uns neue Menschen machen. Das kann gelingen, wenn wir uns – wie Maria – Gott überlassen. Wenn wir frei werden vom Ich-denken und vom Kreisen um uns selber und zu Menschen der Hingabe werden. Dabei geht es vor allem um die vielen kleinen Möglichkeiten im Alltag, wo wir unsere Hingabe üben können: Indem wir andere ermuntern und trösten, mit anderen mitleiden und uns mit ihnen mitfreuen, indem wir füreinander beten und Opfer bringen, einander helfen und miteinander teilen.
P. Peter Gangl SJ, 17. März 2024
Die Zeichen Gottes
Vielleicht haben Sie schon einmal den Wunsch verspürt: Wenn Gott mir doch ein Zeichen geben würde. Ein Zeichen, wie ich mich entscheiden soll. Ein Zeichen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ein Zeichen, dass Gott es gut mit mir meint.
Aber ist es nicht ohnehin so, dass uns immer wieder Zeichen gegeben werden? Zeichen, die wir übersehen, weil sie nicht so sind, wie wir sie uns wünschen. Zeichen, die nicht aufsehenerregend, sondern unscheinbar sind.
Es ist ein Zeichen, wenn mir in einer Beziehung Wohlwollen begegnet. Es ist ein Zeichen, wenn ich in meiner Seele Bewegungen verspüre, die mich anleiten, die Geister zu unterscheiden. Es ist ein Zeichen, wenn auf dem Weg der Nachfolge Jesu Frieden und Freiheit zunehmen. - Es gilt, aufmerksam zu sein auf die Zeichen, die Gott mir im Laufe eines Tages gibt. Wenn ich am Abend auf den Tag zurückschaue, kann ich mich fragen: Was war heute gut? Was ist gelungen? Was ist mir geschenkt worden? – Und dafür darf ich dankbar sein. Gott dankbar sein!
Gott gibt Zeichen. Das größte Zeichen, das Gott gibt, ist Jesus selbst. In ihm können wir sehen, wie Gott zu uns steht.
P. Peter Gangl SJ, 25. Februar 2024
Jesus sucht uns
Menschen, die Jesus suchen, erwarten sich etwas von ihm. Dass er ihnen etwas geben kann, das sie sich nicht selber geben können. – Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt: Was erwarte ich mir von Jesus? Was soll er mir geben? Was suche ich, wenn ich ihn suche? – Ist es die Sehnsucht nach Heil-sein? Nach Angenommen-sein, so wie ich bin? Ist es die Sehnsucht nach Freundschaft?
Suche ist ein Vorgang, der in verschiedene Richtungen gehen kann. Es kann vorkommen, dass jemand ständig an der falschen Stelle sucht, sodass man nie das richtige findet. Es gibt auch Menschen, die auf halbem Weg zu Jesus stehen geblieben sind, die ihre Suche abgebrochen haben, aus Angst vor möglichen Folgen. Jesus suchen und in seine Nähe kommen, kann ja auch das Kreuz bedeuten, das er denen zumutet, die mit ihm gehen wollen.
Schließlich ist noch etwas Anderes wichtig: Bevor wir anfangen, Jesus zu suchen, hat er schon nach uns gesucht. Er sucht uns, indem er zu uns herabgestiegen ist, indem er Mensch geworden ist, in allem uns gleich, außer der Sünde. Unser Suchen gilt dem, der schon lange auf der Suche ist nach uns.
P. Peter Gangl SJ, 9. Februar 2024
Jesus suchen
„Was sucht ihr?“ (Joh 1,38) – Das sind die ersten Worte, die Jesus im Johannesevangelium spricht. Er richtet sie zunächst an die beiden Johannesjünger, die ihm nachgehen. Diese Worte gehen freilich jeden an, der zu Jesus kommen möchte: „Was suchst du?“
Die beiden Jünger im Evangelium antworten: „Rabbi, wo wohnst du?“ Und Jesus sagt: „Kommt und seht!“ – Um Jesus kennen zu lernen, muss man kommen und sehen; man muss mit ihm mitgehen. Nur so kann man lernen, wer Jesus für mich ist. Er lädt ein, zu kommen – Ich muss gehen, um zu sehen.
Die Jünger gehen mit Jesus mit. Sie sehen, wo er beheimatet ist. Und sie bleiben den ganzen Tag bei ihm. – Hier beginnt das Bleiben, das im Johannesevangelium so wichtig ist: „Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“ (Joh 15,4.5).
Dieses Fruchtbringen geschieht nach der Begegnung mit Jesus. Die beiden Jünger erzählen anderen von ihren Erfahrungen, machen andere auf Jesus aufmerksam und führen sie zu ihm. – Jesus suchen, mit ihm mitgehen, bei ihm bleiben, Fruchtbringen: Das sind die wesentlichen Eckpfeiler eines christlichen Lebens in Gemeinschaft.
P. Peter Gangl SJ, 21. Jänner 2024
Das Licht der Völker
Die dogmatische Konstitution über die Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils beginnt mit den Worten: „Christus ist das Licht der Völker“ (Lumen Gentium 1). – Das Fest „Erscheinung des Herrn“ lässt mich an diese Aussage denken. Denn wir feiern an diesem Tag ein Fest des Lichtes.
Das Licht, von dem das Konzil spricht, erschien in der Heiligen Nacht, als Jesus Christus, der Sohn Gottes, in Betlehem geboren wurde. Er ist das Licht, das in die Dunkelheit der Welt und in unsere eigene Finsternis scheint; das Licht, dem wir folgen dürfen.
Für die Sterndeuter aus dem Osten, die am Fest Erscheinung des Herrn im Tagesevangelium (Mt 2,1-12) genannt werden, ist Christus das Licht. Sie nahmen einen weiten Weg auf sich, um ihn anzubeten. Zuerst folgten sie nur einem Stern. Doch dann fanden sie das Kind in der Krippe als ihr Licht.
Immer noch folgen Menschen Sternen. Sogenannten „Stars“ in der Unterhaltungsindustrie oder im Sport. Es ist aber nicht der Stern, der über der Krippe steht. Nur dieser Stern kann Menschen zum wahren Licht führen. Nur dieser Stern kann uns zum Erlöser Jesus Christus führen. Er ist das Licht für die Völker.
P. Peter Gangl SJ, 6. Jänner 2024
Friede auf Erden
„… die Friedensbotschaft ist nötiger denn je, alles ist so aufgeheizt, gereizt und voller Aggression. Es braucht wirklich eine ‚heilige Gelassenheit‘ – und neue Zuversicht aus dem Glauben.“ – Diese Gedanken sandte mir ein priesterlicher Mitbruder zusammen mit seinem Weihnachtsgruß.
Weihnachten wird das Fest des Friedens genannt, weil im Bericht über die Geburt Jesu, wie er im Lukasevangelium steht, der Friede den Menschen zugesagt wird: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,14).
Ich meine, es kommt hier auf die Reihenfolge an: Wenn Menschen zuerst Gott die Ehre geben, dann wird das auch Auswirkungen auf das soziale Miteinander haben, dann kann sich tatsächlich Frieden auf Erden einstellen. Wenn jedoch Menschen, Nationen und Völker Gott aus den Augen verloren haben und nur noch auf sich selbst bedacht sind, dann hat das Zwistigkeiten und Krieg zur Folge.
Friede ist ein Geschenk von oben, das uns zuteilwerden wird, wenn wir Gott wieder in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen und ihm allein die Ehre geben. Der Friede, den Gott der Welt und jedem einzelnen von uns geben möchte, kommt aus der Verbundenheit mit ihm. Das ist der Weihnachtsfriede, wie er uns im Evangelium zugesagt ist.
P. Peter Gangl SJ, 25. Dezember 2023
Maria und Ignatius
Maria, die Mutter Jesu, hat im Leben des Hl. Ignatius eine herausragende Bedeutung. Mit Maria ging Ignatius seinen geistlichen Weg. Sie war für ihn die „Madonna della strada“ (Maria vom Wege). So heißt ein Marienbild in Rom, dass von Ignatius und seinen Gefährten verehrt wurde.
Maria begegnet auch im Exerzitienbuch. In der Betrachtung über die Menschwerdung lädt Ignatius dazu ein, sich darüber zu besinnen, wie der Engel Gabriel zu „Unserer Herrin“ gesandt wurde. Man soll sich vorstellen, wie der Engel Maria grüßt und wie sie miteinander sprechen, „um aus solcher Schau Nutzen zu ziehen“ (EB 106 – 108). Am Ende ist zu überlegen, „was ich den drei göttlichen Personen oder dem menschgewordenen Ewigen Wort oder Unserer Mutter und Herrin sagen soll“ (EB 109).
Für Ignatius war Maria Gefährtin und Fürsprecherin, und wer sich auf ignatianische Spiritualität beruft, dem begegnet auch Maria, die zuverlässige Wegweiserin ist auf dem Weg in der Nachfolge Jesu. „Ihr Teilnehmen an der Sendung ihres Sohnes ihr ganzes Leben hindurch führt uns dazu, unsere Hingabe an Gott in Verbindung mit Maria zu leben, die durch ihr Ja-Wort zu Gottes Heilsplan unsere Mutter und die Mutter aller Menschen wurde.“ (Allgemeine Normen der GCL 9)
P. Peter Gangl SJ, 12. Dezember 2023
Christkönig
Christen verehren Jesus Christus als König. Das klingt ein wenig antiquiert, gerade in einem Land, wo es schon länger keinen König oder Kaiser mehr gibt. – Das Wort „König“ kann verschiedene Gedanken in uns wachrufen. Vielleicht denkt man an Könige und Königinnen, wie es sie heute noch in verschiedenen Ländern gibt. Diese weltlichen Fürsten sind oft mit einem Schleier der Erhabenheit umgeben, abgehoben vom übrigen Volk; von Leibwächtern müssen sie beschützt werden.
Wenn wir Jesus Christus als König verehren, dann ist dieses Königtum anders. Es hat nichts zu tun mit verschwenderischem Luxus, mit prachtvollen Banketten oder mit theatralischen Paraden. Jesus ist ein anderer König. Er ist nicht in Samt und Seide gekleidet. Im Gegenteil! Er verwehrt sich gegen Eitelkeiten. Seine Krone besteht aus Dornen. Und er selbst sagt: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36)
Jesus ist ein anderer König. Er stellt sich auf die Seite derer, die im Leben keine Großen sind. Er gesellt sich zu denen, die keiner mag. Er sucht die Gesellschaft von Dirnen und Sündern. Er schenkt Barmherzigkeit, von der niemand ausgeschlossen wird. Man kann sagen: Jesu Herrschaft gründet auf Liebe. Das ist das königliche am Königtum Jesu.
P. Peter Gangl SJ, 27. November 2023
Achtsamkeit für Gott
Am Beginn von Exerzitien ist eine manchmal gestellte Aufgabe die „Übung der Achtsamkeit für die Gegenwart Gottes“. Der Übende soll sich darüber bewusstwerden, dass Gott gegenwärtig ist. Er soll wachsam sein für die Begegnung mit Gott.
Die Aufforderung, wachsam zu sein, war auch für Jesus ein wichtiger Gegenstand seiner Verkündigung. „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Mt 24,42)
In der jungen Kirche war dieser Aufruf gleichsam tagesaktuell. Mit Sehnsucht wartete man auf die Wiederkunft Christi. – Nach 2000 Jahren ist nicht mehr viel davon zu spüren. Die Erwartung, dass Christus wiederkommen wird, um diese Welt zu vollenden, ist schwach geworden oder überhaupt aus dem Blick geraten. Heute meint der Mensch, selbst alles tun zu können, ja sogar sich selbst erlösen zu können. Dagegen steht die Erfahrung, dass der Mensch mit seiner Weisheit bald am Ende ist, wenn er Gott aus den Augen verliert.
Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry hat es so formuliert: „Wenn Menschen gottlos werden, dann sind Regierungen ratlos, Lügen grenzenlos, Schulden zahllos, Besprechungen ergebnislos, dann ist Aufklärung hirnlos, Mode schamlos, sind Politiker charakterlos, Christen gebetslos, Kirchen kraftlos, Völker friedlos, Sitten zügellos, Verbrechen maßlos, Konferenzen endlos und Aussichten trostlos.“
P. Peter Gangl SJ, 15. November 2023
Die wichtigste Aufgabe
„Der Mensch ist geschaffen, Gott, unseren Herrn, zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen und damit seine Seele zu retten.“ (EB 23) Mit diesen Worten versucht Ignatius von Loyola etwas über den Menschen auszusagen: Über seine Herkunft, seine wichtigste Aufgabe und das Ziel seines Lebens.
Die Aussage des Ignatius erinnert an die Botschaft Jesu, wenn dieser im Evangelium seinen Zuhörern ähnliches aufträgt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken“ (Mt 22,37).
Die Frage ist: Hat Gott tatsächlich diesen Platz in meinem Leben, wie es Jesus im Evangelium und Ignatius im Exerzitienbuch als Weisung vorgeben? Ist unser Herz nicht oft geradezu besetzt von anderen Dingen, die weit mehr den ersten Platz einnehmen? Die Gesundheit, die Beziehung zu einem Menschen, meine persönliche Freizeitgestaltung…
Wo bin ich in Gefahr, einen Menschen, eine Sache oder ein Ziel an die Stelle zu setzen, wo Gott hingehört? – Bedenken wir, wozu wir eigentlich da sind und was unsere wichtigste Aufgabe ist: Gott, unseren Herrn, zu lieben, ihn zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen, damit wir Gemeinschaft mit ihm haben.
P. Peter Gangl SJ, 30. Oktober 2023
Sich einladen lassen
Es ist zwar schwer verständlich, aber es gibt tatsächlich Menschen, die „nein“ sagen, wenn man sie zum Essen einlädt. Sie wollen nicht mitgehen. Man kann nur vermuten, warum sie sich verweigern.
Wenn wir zur Feier der Eucharistie zusammenkommen, dann folgen wir der Einladung zu einem Festmahl. Der Einladende ist nicht der Priester, der der Heiligen Messe vorsteht; der Einladende ist Jesus Christus selbst! Er lädt uns ein zu einem Mahl, bei dem er sich in der Eucharistie den Gästen schenken möchte. So ist es eigentlich recht sonderbar, dass in unseren Pfarreien nur wenige dieser Einladung folgen. Viele verweigern sich.
Gott ruft die Menschen zusammen, damit sie Anteil haben an seinem Leben. Es ist eine Einladung zu einem Fest der Freude. Alles ist vorbereitet, nur eines muss man mitbringen: Dass man sich einladen und beschenken lassen kann. Das wird freilich nur dem gelingen, der dafür offen ist; der von sich selbst absehen kann und Gott in sein Leben aufnimmt.
Ähnlich ist das auch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen: Zum Essen einladen lässt sich nur, wer sich beschenken lassen kann, wer von sich selbst absehen kann, und wer bereit ist, am Leben anderer teilzunehmen.
P. Peter Gangl SJ, 15. Oktober 2023
Mit Jesus verwandt sein
Bei liturgischen Feiern hört man oft die Anrede: Schwestern und Brüder. Vielleicht ist das manchmal Routine oder sogar gedankenlos. Wenn wir aber die Botschaft Jesu bedenken, spüren wir, welche Bedeutung diese Anrede haben könnte.
Vielleicht haben sie schon die Erfahrung gemacht, dass sie sich mit einem Menschen, der auf das Wort Gottes hinhört und den Weg der Nachfolge Jesu zeugnishaft geht, in einer ganz neuen Weise verbunden fühlen; fast so, als ob dieser Mensch ihre Schwester oder ihr Bruder wäre.
Jesus teilt diese Erfahrung. Er sagt uns, wie wir mit ihm in Beziehung sein können, wie wir seine engsten Verwandten sein können: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln“ (Lk 8,21). Für Jesus ist die Blutsverwandtschaft nicht entscheidend. Es kommt ihm auf etwas Neues an.
Menschen, die auf das Wort Gottes hinhören und dieses Wort ins Leben umsetzen, begründen eine neue Familie. Solche Menschen begründen die Kirche. – Hören wir gläubig auf das Wort Gottes, und versuchen wir, danach zu handeln. Dann gehören wir zur Familie Jesu; und dann sind wir auch untereinander Schwestern und Brüder.
P. Peter Gangl SJ, 1. Oktober 2023
Verzeihen können
„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ – Jedesmal, wenn wir das Vater Unser beten, dann sprechen wir diese Worte. Wir bitten Gott um Vergebung unserer Schuld und zugleich versprechen wir, dass wir sein Erbarmen an andere weiterschenken wollen. – Tun wir das wirklich? Tun wir das immer?
Unsere Bereitschaft zu vergeben ist sehr leicht erschöpft. Die Brücken zum Nächsten werden schnell abgebrochen und nur schwer wiederaufgebaut. Manche Menschen sind wahre Meisterinnen und Meister im Nachtragen von Kränkungen, die sie erfahren haben. Sie tun sich außergewöhnlich schwer mit dem Verzeihen.
Demgegenüber möchte uns das Evangelium ein neues Verhalten beibringen: So wie Gott uns immer wieder sein Erbarmen schenkt, wenn wir ihn darum bitten, so dürfen auch wir nicht Zäune aufrichten, wenn wir eigentlich Verzeihung schenken sollten.
Denn die empfangene Vergebung bedeutet Verpflichtung und Auftrag: Weil Gott uns vergibt, darum sollen auch wir verzeihende Menschen sein. „Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jak 2,13).
P. Peter Gangl SJ, 17. September 2023
Von Gott beschenkt
Manchmal hört man Menschen sagen: „Ich will nichts geschenkt. Ich will nur das, was mir zusteht!“ – Es gibt Menschen, die tun sich schwer damit, sich etwas schenken zu lassen. Oder sie mögen es nicht, wenn man im Restaurant für sie bezahlt. Ich frag mich da immer: Fürchtet man vielleicht Abhängigkeit, wenn man ein Geschenk annimmt, ohne dafür etwas geleistet zu haben? Kann ich nicht etwas als Geschenk annehmen, ohne etwas zurückgeben zu müssen? Genügt nicht das dankbare Empfangen?
Unser Glaube sagt uns, dass Jesus sich aus Liebe zu den Menschen am Kreuz hingegeben hat. Und in dieser Hingabe hat er die Menschen erlöst, ohne dass sie zuvor irgendeine Leistung erbracht hätten. Erlösung geschieht sozusagen „gratis“. Das kommt vom Wort „Gratia“ – und das bedeutet „Gnade“. Aus Gnade sind wir gerecht gemacht. Es ist nicht unser Verdienst. Es wird und geschenkt – vorausgesetzt, dass wir an Christus und an seine Erlösungstat glauben.
„Ich will nichts geschenkt. Ich will nur das, was mir zusteht.“ Das ist eine lebensgefährliche Einstellung. Denn die Erlösung steht uns nicht zu. Sie wird uns geschenkt. Aus Liebe, die Jesus Christus zu uns hat.
P. Peter Gangl SJ, 3. September 2023
Mariä Himmelfahrt
„Ganz schön bist Du, Maria“ – So heißt es in einem Gebet aus dem 4. Jhdt. Und in einem Kirchenlied wird Maria als „die schönste aller Frauen“ besungen (GL 531/2). – Was ist damit gemeint?
Immer haben Menschen auf die Schönheit ihres Leibes Wert gelegt. Und man versucht, diese Schönheit zu verbessern und zu erhalten durch Salben, Öle und kosmetische Eingriffe. Neben einer Schönheit, die so oft teuer bezahlt werden muss, gibt es eine andere Schönheit, die unserem Leib zukommt. Eine Schönheit, die nicht von außen, sondern von innen kommt. Was ist die Ursache dieser inneren Schönheit?
Im ersten Korintherbrief schreibt Paulus: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt? … Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 6,19-20) – Weil der Heilige Geist in uns wohnt, deshalb ist unser Leib etwas Wundervolles, und über den Tod hinaus ist ihm ewige Schönheit garantiert.
Das Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel ruft uns unsere eigene Bestimmung in Erinnerung: Es ist unsere Berufung, Gott mit Leib und Seele zu ehren, um auch mit Leib und Seele gerettet zu werden.
P. Peter Gangl SJ, 15. August 2023
Ignatianische Spiritualität
Ignatius von Loyola, dessen Fest wir am 31. Juli feiern, hat eine lange Wirkungsgeschichte. Immer wieder begegnen mir Menschen, die von Ignatius schwärmen und betonen, wie wichtig seine Spiritualität für ihr Leben ist. Wenn man jedoch nachfragt, was damit gemeint ist, kann es vorkommen, dass die Antwort an der Oberfläche bleibt und nur selektiv bestimmte Aspekte der ignatianischen Tradition genannt werden. Fast gar nicht beachtet wird die Kirchlichkeit der ignatianischen Spiritualität.
Das Fundament, auf dem Ignatius steht, ist Jesus Christus, der zur Kreuzesnachfolge aufruft, und seine Übereinstimmung mit dem tradierten Glauben der Kirche. Darauf weisen zwei Betrachtungen hin, die im Exerzitienbuch des Ignatius zu finden sind: Die „Besinnung über zwei Banner“ (EB 136-148) und die Betrachtung „um das echte Gespür zu erlangen, das wir in der dienenden Kirche haben sollen“ (EB 352-370).
Ignatius ist ganz und gar ein Mann der Kirche. Es war ihm wichtig, seine Frömmigkeit im Schoß der römisch-katholischen Kirche aufgehoben zu wissen. Der früher einmal gebrauchte Slogan „Jesus Ja – Kirche Nein“ wäre für Ignatius undenkbar gewesen. Anders katholisch zu sein steht für ihn nicht zur Wahl.
P. Peter Gangl SJ, 31. Juli 2023
Mut zur Verkündigung
Darf man heutzutage noch das Wort „Wahrheit“ in den Mund nehmen? Darf ich offen sagen, was meine Überzeugung ist und wovon ich meine, dass es nicht nur für mein Leben entscheidend ist? – Viele Menschen trauen sich das nicht, denn schnell kann man die Frage hören: Was ist Wahrheit überhaupt?
Als Christen glauben wir, dass es eine Wahrheit gibt. Sie ist uns durch das Wort der Heiligen Schrift verkündet worden. Paulus meint, dass wir dieses Wort beharrlich verkünden sollen. Nicht nur, wenn wir Zustimmung finden, sondern auch, wenn wir Ablehnung erfahren: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht (2 Tim 4,2).“
Das ist freilich nicht so einfach! Was uns hindert, ist die Furcht vor der Ablehnung. Wir halten die Botschaft des Evangeliums zurück, weil wir fürchten, damit anzuecken. Wir fürchten das Gefühl, bei anderen nicht anzukommen, nicht ernst genommen zu werden.
Paulus rät, nicht darauf zu achten. Man soll deshalb die Wahrheit des Evangeliums nicht verschweigen! Vielleicht werde ich damit auf Ablehnung stoßen. Vielleicht werde ich aber auch Menschen begegnen, die sagen: Ja, das glaube ich auch. Das ist auch für mein Leben wichtig.
P. Peter Gangl SJ, 14. Juli 2023
Brückenbauer gesucht!
Wie lebt sich das Christsein richtig? Das war eine Frage, sogar eine Streitfrage, die in der jungen Kirche ausgetragen wurde. Es ging darum, ob das jüdische Gesetz für Christen verbindlich sein sollte. Für die Urgemeinde in Jerusalem war das keine Frage. Sie lebten in der jüdischen Praxis. Erst als Nichtjuden den christlichen Glauben annahmen, stand plötzlich die Frage im Raum: Christsein mit oder ohne jüdischem Gesetz?
Wie diese Frage entschieden wurde, davon berichtet die Apostelgeschichte (Apg 15,7-21). Interessant ist der Vorgang, wie man zu einer Entscheidung gekommen ist.
Ein erster wichtiger Punkt ist: Man redet miteinander. Erfahrungen werden ausgetauscht. Erfahrungen dürfen erzählt werden, ohne dass gleich nach Gegenargumenten gesucht wird. Wir lernen daraus, dass wir mit Wertschätzung zuhören sollen. Man soll stehen lassen können, was der andere sagt.
Ein zweiter Punkt: Irgendwann kommt der Moment, wo genug nachgedacht, genug geredet und ausgetauscht worden ist. Wo es ganz einfach darum geht, zu schweigen und hinzuhören auf Gottes Wort und dem Wirken seines Geistes Raum zu geben.
Und drittens benötigt es Brückenbauer, die verschiedene Ansichten miteinander versöhnen können. Solche Brückenbauer bräuchte es heutzutage (nicht nur in der Kirche) mehr denn je.
P. Peter Gangl SJ, 27. Juni 2023
Versöhnung mit Gott
Bei meiner Priesterweihe hab ich auf das Primizbildchen das Wort aus dem 2. Korintherbrief aufgenommen: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (5,20) – Was bedeutet das: Sich „mit Gott versöhnen“?
Menschen haben Vorstellungen von Gott: Wie Gott ist oder wie er sein könnte. Man soll sich zwar kein Bild von Gott machen; der Mensch tut es trotzdem. – Welches Gottesbild ist in mein Herz eingeprägt? Um es zu entdecken, genügt es, sich die Frage zu stellen: Welche Gefühle kommen in mir auf, wenn ich beim Vaterunser zu der Stelle komme, wo es heißt: „Dein Wille geschehe“? Kann ich diese Worte vertrauensvoll und aus ganzem Herzen aussprechen?
Oft ist es so, dass Menschen den Willen Gottes mit Dingen in Verbindung bringen, die lästig und schmerzhaft sind. In der Folge wird Gott als ein Konkurrent empfunden, der den Lebensraum des Menschen einengt. Mit einem solchen Gott will man aber nichts zu tun haben.
Hier bezeugt die Heilige Schrift ein anderes Gottesbild: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16). – Unsere verzerrten Gottesbilder durch das Wort Gottes korrigieren lassen – das könnte gemeint sein, wenn Paulus dazu aufruft: „Lasst euch mit Gott versöhnen.“
P. Peter Gangl SJ, 11. Juni 2023
Pfingsten – Früchte des Heiligen Geistes
Zu Pfingsten feiern wir die Herabkunft des Heiligen Geistes. Der Geist, den Jesus den Seinen versprochen hat; der uns hilft, in der Verbundenheit mit Jesus zu leben; der uns zu einem Leben als Christinnen und Christen befähigt. Wie aber erkennt man die Gegenwart des Heiligen Geistes?
Es gibt Gemeinschaften oder Orte, von denen man sagt: „Hier herrscht ein guter Geist“. Manchmal trifft man aber auch Menschen, von denen man meinen könnte: „Der ist von allen guten Geistern verlassen“.
Im Galaterbrief (Gal 5,22-23) nennt Paulus die Zeichen, die auf die Gegenwart des Geistes hindeuten. Ob in unserer Gemeinschaft ein guter Geist herrscht oder ob wir von allen guten Geistern verlassen sind, wird deutlich an den Früchten, die wir hervorbringen: Ob bei uns die Liebe, die Freude, der Friede, die Langmut, die Freundlichkeit, die Güte, die Treue, die Sanftmut und die Selbstbeherrschung spürbar sind.
Diese Früchte des Heiligen Geistes reifen nicht von selbst, sondern nur dort, wo Menschen sich für Jesus Christus öffnen. Wo man bereit ist, auf das Wort Gottes hinzuhören, darüber nachzudenken und es ins Leben umzusetzen. – Hören wir niemals auf, um die Früchte des Heiligen Geistes zu beten.
P. Peter Gangl SJ, 27. Mai 2023
Die Gebote halten
„Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt“ (Joh 14,21). – Das sind zwei Aufgaben, die uns von Jesus aufgetragen sind: Ihn lieben und die Gebote halten.
Die erste Aufgabe ist: Jesus lieben. Wie schwer ist das für viele Menschen geworden, da sie mit so vielen anderen Dingen beschäftigt sind, nur nicht mit der Frage nach Gott. - Nicht weniger schwierig ist die zweite Aufgabe: Die Gebote halten. Gebote werden oft als etwas Einschränkendes empfunden. Dabei merkt man gar nicht, dass alte „Kirchengebote“ durch neue „Weltgebote“ ersetzt worden sind. Viele merken nicht, wie sehr sie den Geboten der Mode, der Werbung und der öffentlichten Meinung gehorchen.
Jesus lieben und die Gebote halten: Ein Meister darin ist der Hl. Ignatius von Loyola. Im Exerzitienbuch gibt er die Anweisung, man soll um Gnade bitten, um zu erkennen, worin man gefehlt hat, und ebenso um vollkommene Einsicht in die Gebote, „um sie je besser zu beobachten“ (EB 240).
Vielleicht zählt Ignatius deswegen zu den Großen im Himmelreich. Denn im Matthäusevangelium liest man: „Wer sie (die Gebote) … hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich“ (Mt 5,19).
P. Peter Gangl SJ, 13. Mai 2023
Beten im Geist des Hl. Ignatius
Heutzutage erfreuen sich viele „Gebetsmethoden“, die ihre Inspiration mehr von asiatischen Weisen beziehen und mehr oder weniger auf Selbsterfahrung und Selbstwahrnehmung abzielen, großer Beliebtheit. Liegt der Grund für diesen Sachverhalt nicht vielleicht darin, dass diese Methoden nicht vor die Herausforderung einer personalen Begegnung mit Gott und damit einer Entscheidung stellen? Die unerlässliche Entscheidung nämlich, dass Gott die Mitte meines Lebens sein soll!
Christliches Gebet spricht Gott mit Du an. Das hat Jesus selbst gelernt im Gebet des Alten Testaments, in den Psalmen und Hymnen. Und das hat Jesus auch seine Jünger gelehrt (Lk 11,1-4). Diese Gegenseitigkeit zwischen Gott und dem Betenden ist das Kennzeichnende des Gebetes Jesu.
In den Exerzitien des Ignatius von Loyola wird das Zwiegespräch mit Jesus als Dialog mit einem Freund dargestellt: „Das Gespräch wird mit richtigen Worten gehalten, so wie ein Freund mit seinem Freunde spricht ..., bald um eine Gnade bittend, bald sich wegen eines begangenen Fehlers anklagend, bald seine Anliegen mitteilend und dafür Rat erbittend.“ (Exerzitienbuch 54) – In dieser Gegenseitigkeit, in der Zwiesprache mit Jesus wird im Gebet erfahrbar, was es heißt, dass Christus die Mitte meines Lebens sein soll.
P. Peter Gangl SJ, 30. April 2023
Ostern – Das Fest der Göttlichen Barmherzigkeit
Seit dem Jahr 2000 feiert die Kirche am ersten Sonntag nach Ostern den „Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit“. Dieses Fest geht zurück auf die Mystischen Erfahrungen von Sr. Maria Faustyna Kowalska (1905-1938), die wir als Heilige verehren.
In einer Ihrer Visionen erhielt sie die Weisung: „Meine Tochter, verkünde der ganzen Welt meine Barmherzigkeit! Ich wünsche, dass das Fest meiner Barmherzigkeit eine Zuflucht werde für alle Seelen, insbesondere für die armen Sünder. An diesem Tag werden die tiefsten Tiefen meiner Barmherzigkeit für alle geöffnet werden.“
Wie tief die göttliche Barmherzigkeit ist, zeigt sich in der ersten Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern am Osterabend. Er sagt zu ihnen: „Friede sei mit Euch!“ (Joh 20,19) – Jesus wünscht seinen Jüngern den Frieden. Obwohl sie versagt und ihn im kritischen Moment allein gelassen haben, tadelt er sie nicht. Ganz im Gegenteil: Er schenkt ihnen seine Barmherzigkeit.
Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu, ist das Fest der Göttlichen Barmherzigkeit. Dazu hat Jesus den Tod überwunden: Um auch uns in den Momenten unseres Versagens zuzurufen: „Friede sei mit Dir!“ – Wer diese Zusage annehmen kann und auf Jesus vertraut, für den öffnen sich die tiefsten Tiefen seiner Barmherzigkeit.
P. Peter Gangl SJ, 16. April 2023
Ostern – Ja zum Leben
Der Arzt und Psychologe Viktor Frankl (1905-1997) erzählt in dem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ von seinen Erlebnissen im Konzentrationslager. Er denkt an die Jahre, in denen fast seine ganze Familie umgekommen ist: Vater, Mutter, Bruder – und auch seine Frau. Nur er und seine Schwester haben überlebt.
„… trotzdem Ja zum Leben sagen“ – so antwortet Frankl auf die schlimmsten Erfahrungen seines Lebens. Er ist davon überzeugt, dass jedes Leben – auch in den größten Bedrängnissen und Leiden – einen unverlierbaren Sinn hat.
Freilich ist es nicht leicht, in Dunkelheit und Leid Sinn zu finden, die Hoffnung nicht aufzugeben und dem Leben zu trauen. Das Osterfest möchte uns hier eine neue Perspektive schenken. Wir dürfen uns berühren lassen von der Botschaft, dass Christus Bedrängnis und Tod überwunden hat.
Nach den Ereignissen des Karfreitags war diese Botschaft für die ersten Zeugen der Auferstehung nur schwer zu begreifen. Einen Zugang fanden jene, die trotz großer Enttäuschung die Hoffnung nicht aufgaben und Jesus suchten.
Niemals die Hoffnung aufgeben und Jesus beharrlich suchen! Das Osterfest erinnert uns, dass Jesus Christus das Leben neu geschaffen hat, sodass auch wir in den Bedrängnissen unseres Lebens trotzdem Ja zum Leben sagen können.
P. Peter Gangl SJ, 8. April 2023
Marias „Ja“ zu Gott
Es hat eine tiefe Bedeutung, dass der 25. März als Welt-GCL-Tag begangen wird. Denn an diesem Tag feiert die Kirche das Hochfest „Verkündigung des Herrn“. Das Evangelium dieses Festtages erzählt vom Besuch des Engels Gabriel bei der Jungfrau Maria. Er verkündet ihr, dass sie ein Kind gebären soll, durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Mich bewegt die Antwort, die Maria dem Engel gibt: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hat“ (Lk 1,38). Maria ist ganz offen für den Ruf Gottes. Sie sagt „Ja“ zu dem Plan, den Gott mit ihr hat. Maria vertraut sich Gott an. Sie schaut nicht auf ihre eigenen Pläne, die sie als junge Frau sicherlich gehabt hat, sondern sie möchte Gott dienen.
Mit ihrer hingebenden Antwort auf Gottes Ruf wird uns Maria als Vorbild vor Augen gestellt. Denn sie lässt Gott in ihrem Leben wirken. Wir meinen oft, dass wir selbst alles tun müssten. Maria macht es anders: Sie übergibt ihr Leben Gott, damit ER durch sie wirkt. – Damit hat sie uns ein Beispiel gegeben.
P. Peter Gangl SJ, 25. März 2023
Fasten
Wie denken Menschen über das Fasten? – Ist es ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das uns an Verzicht und kirchliche Bußvorschriften erinnert? Oder ist Fasten eine Modeerscheinung geworden, wenn man in Schlankheitskuren ein herrschendes Körperideal verwirklichen will?
Beides geht am Sinn des Fastens vorbei. Fasten ist keine religiös motivierte Selbstkasteiung. Unser Glaube hat keinen düsteren Geschmack. Man soll nicht mit einem trübseligen Gesicht fasten (Mt 6,16). – Fasten ist aber auch keine säkulare Veranstaltung, die einen elitären Körperkult betreibt.
Die Fastenzeit zielt auf ein anderes Fasten. Dazu gehört die Umkehr des Menschen, seine Hinwendung zu Gott und zur Gemeinschaft mit ihm. Immer geht es um die Frage: Was trennt mich von Gott, und was führt mich zur Gemeinschaft mit ihm? – Was mich von ihm trennt, das soll ich lassen. Was mich zu ihm führt, das soll ich ergreifen!
Für die Fastenzeit empfehle ich das Gebet des Hl. Niklaus von Flüe (1417-1487): „Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“
P. Peter Gangl SJ, 14. März 2023
Versuchung
Es gab einmal den Werbeslogan, in dem eine bestimmte Schokolade als etwas Besonderes angepriesen wurde. Es hieß, diese Schokolade sei „die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“. - Wenn in der Heiligen Schrift von „Versuchung“ die Rede ist, dann geht es nicht um Schokolade, sondern um den Ernstfall des Glaubens. Es geht um das Vertrauen auf Gott.
Der Glaube Abraham‘s wird herausgefordert: Ob er auf Gott vertraut oder auf seine Nachkommenschaft. Hiob wird auf die Probe gestellt: Ob er wegen der Schicksalsschläge, die ihn treffen, Gott verflucht. In der Paradiesgeschichte tritt die Schlange als Versucherin auf, die dem Menschen einredet, er könne sein wie Gott.
Immer geht es um die Frage: Wie zuverlässig ist der Glaube des Menschen und wie schaut es aus mit dem Vertrauen auf Gott? Kenne ich diese Versuchung: Zweifeln, ob Gott es gut mit mir meint? Wie gehe ich damit um, wenn mein Glaube auf die Probe gestellt wird? Und wie kann verlorenes Vertrauen wiedergefunden werden?
Es geht nur im Blick auf Jesus. Im persönlichen Gebet und beim Lesen der Heiligen Schrift kann Vertrauen wachsen. – Gott nicht misstrauen, sondern IHN suchen, weil er immer schon auf der Suche nach uns ist.
P. Peter Gangl SJ, 27. Februar 2023
Hl. Valentin – Liebe und Hingabe
Der Hl. Valentin, er gilt als Patron der Liebenden, ist dem Kommerz zum Opfer gefallen. Unmengen von Schokolade und Blumen werden an seinem Gedenktag umgesetzt. Was den Heiligen ausgezeichnet hat, ist vergessen.
Valentin war Bischof in Italien, wo er Mitte des 3. Jahrhunderts das Martyrium erlitten hat. Er stellte sich gegen den römischen Götterkult, und aus Liebe zu Christus hat er sein Leben hingegeben. Er zeigt damit, was Liebe bedeutet: Hingabe an den anderen, Hingabe für den anderen.
Dagegen gibt es oft ein falsches Verständnis von Liebe: Wie oft wird von Liebe gesprochen, wo doch nur Haben- und Besitzenwollen gemeint ist. Es gibt Irrwege menschlicher Liebe.
Ignatius meinte, „dass die Liebe mehr in die Werke als in die Worte gelegt werden muss“. – Christliche Liebe kann in den einfachsten Dingen zum Ausdruck kommen. Es können Zeichen der Liebe zu Gott sein: Ein Stoßgebet während meiner Beschäftigungen, oder auf das Kreuz hinschauen und Dank sagen für das, was Christus für mich getan hat.
Es gibt auch Wege, wie wir den Nächsten lieben können: Durch Aufmerksamkeit, durch ein Lächeln, durch Hinhören auf den anderen. Kleine Zeichen der Liebe, aber recht verstandene Liebe macht die kleinsten Dinge groß.
P. Peter Gangl SJ, 14. Februar 2023
Magis
Ein kleines Wort, das in der ignatianischen Spiritualität große Bedeutung hat, ist das lateinische Wort „magis“. Auf Deutsch übersetzt bedeutet dieses Adverb „mehr“. Es kann aber auch heißen: bei weitem, stärker, heftiger, in höherem Maße. Was hat es mit diesem „mehr“ auf sich?
Wenn der Heilige Ignatius vom „mehr“ spricht, wenn er zum Beispiel in den Exerzitien um die Erkenntnis bitten lässt, dass Christus „dazu für mich Mensch geworden ist, dass ich Ihn je mehr liebe“ (Exerzitienbuch 104), und man wünschen soll, Ihm „je mehr zu dienen“ (Exerzitienbuch 130), dann geht es nicht darum, Höchstleistungen in der Liebe oder im Dienst zu vollbringen. Ganz im Gegenteil: Weniger kann bei weitem mehr sein. Qualität steht gegen Quantität.
Wir brauchen in der Nachfolge Jesu nichts Außergewöhnliches zu vollbringen, sondern es geht darum, auf die Großzügigkeit der Liebe Gottes, die jemand erfahren hat, eine persönliche Antwort zu geben. - Eine persönliche Antwort geben auf die Liebe Gottes. Seine Liebe soll in uns fruchtbar werden, sozusagen Gegenliebe hervorrufen, sodass Gott in uns mehr und mehr Raum bekommt. Unsere Antwort auf Gottes Liebe soll nicht eine Liebe aus halbem Herzen sein, sondern eine mit ganzem Herzen.
P. Peter Gangl SJ, 29. Jänner 2023
Bete und arbeite
Vom Hl. Antonius, dessen Gedenktag die Kirche am 17. Jänner feiert, wird erzählt: „Als der Altvater Antonius einmal in verdrießlicher Stimmung und mit düsteren Gedanken in der Wüste saß, sprach er zu Gott: ‚Herr, ich will gerettet werden, aber meine Gedanken lassen es nicht zu. Was soll ich in dieser meiner Bedrängnis tun? Wie kann ich das Heil erlangen?‘
Bald darauf erhob er sich, ging ins Freie und sah einen, der ihm glich. Er saß da und arbeitete, stand dann von der Arbeit auf und betete, setzte sich wieder und flocht an einem Seil, erhob sich dann abermals zum Beten; und siehe, es war ein Engel des Herrn, der gesandt war, Antonius Belehrung und Sicherheit zu geben. Und er hörte den Engel sprechen: ‚Mach es so und du wirst das Heil erlangen.‘ – Als er das hörte, wurde er von großer Freude und mit Mut erfüllt und durch solches Tun fand er Rettung.“ (Apophthegmata Patrum)
Im geistlichen Leben kann es Zeiten des Misstrostes und der Frustration geben. Um dem nicht zu erliegen, ist es hilfreich, bei dem zu bleiben, was man auch zu „normalen Zeiten“ tun würde. Christen zeichnet ein hoffnungsvolles Vertrauen darauf aus, dass Gott bei uns ist, wo und in welcher Situation auch immer wir uns befinden.
P. Peter Gangl SJ, 15. Jänner 2023
Der Name Jesus
Am 3. Jänner feiern wir im Jesuitenorden das Hochfest „Heiligster Name Jesu“. Es ist das Titularfest der Gesellschaft Jesu. Der Hl. Ignatius wollte, dass seine Ordensgemeinschaft mit dem Namen Jesus bezeichnet wird, „denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12).
Der Name „Jesus“ steht für ein Programm. Jesus heißt übersetzt: Gott schafft Heil. Der Name sagt aus, was Jesus tun wird, wozu er gesandt ist: Er ist gesandt, um uns das Heil zu bringen. Das Heil, das von Gott kommt.
Das Heil, das von Gott kommt, beginnt nicht damit, dass sich zuerst im äußeren Lebensbereich etwas ändert. Sondern es geht um eine Änderung im Inneren des Menschen; es geht um die Vergebung der Sünden. So hat es auch Josef im Traum vom Engel gehört: „Ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,21).
Die erste und wichtigste Botschaft Jesu bei seinem öffentlichen Auftreten wird lauten: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Kehrt um und glaubt an das Heil, das von Gott kommt. Glaubt, dass Gott euch die Sünde vergibt!
P. Peter Gangl SJ, 3. Jänner 2023
Licht in der Finsternis
Advent und Weihnachten haben mit dem Licht zu tun. Überall funkelt und leuchtet es in dieser Zeit. Lichterketten finden wir in den Straßen der Stadt, Lichter leuchten in den Schaufenstern. Immer mehr Kerzen werden auf dem Adventkranz angezündet. Kerzenlicht erstrahlt am Heiligen Abend am Christbaum.
„Über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf“ (Jesaja 9,1). So hören wir in der Liturgie der Heiligen Nacht. Gemeint sind nicht die weltlichen, dekorativen Leuchten, die auch blenden können, sondern es geht um ein mildes Licht, das nicht täuscht.
Weihnachten ist „das Hereinleuchten von Gottes Licht in eine Welt voller Dunkel und voller ungelöster Fragen“ (Papst Benedikt XVI). Dieses Licht möchte auch meine eigene Dunkelheit erhellen, und die Fragen, die bei mir ungelöst sind.
Gottes Licht ist uns erschienen im Kind in der Krippe. Dieses Licht lässt uns leben, es schenkt uns Freiheit und Leben in Fülle und zeigt uns den Weg, den wir gehen sollen. Etwas von der Erfahrung dieses Lichtes wünsche ich Ihnen und mir an diesem Weihnachtsfest!
P. Peter Gangl SJ, 24. Dezember 2022
Offenbarung
Vielleicht haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt: Was geht eigentlich in diesem oder jenem Menschen vor? Wie ist seine Gesinnung? Was ist sein Innerstes?
Wie jemand in seinem Innersten ist, wie er mir gesonnen ist, dass muss er mir zeigen. Sonst bleibt es verborgen. Er muss es mir zeigen, nicht allein dadurch, was er sagt, sondern besser noch durch das, was er tut. Dabei bleibt eine Aufgabe für mich übrig: Ich muss es glauben. Ich muss seinen Worten glauben. Ich muss darauf vertrauen, dass er mir nichts vormacht.
Wie Gott zu uns Menschen steht, wie er uns gesonnen ist, das wollte er uns zeigen. Theologisch gesprochen: Er wollte sich den Menschen offenbaren. – Gott thront nicht in unerreichbarer Ferne. Er ist uns nahe gekommen und gibt sich durch Wort und Tat zu erkennen. Gott wird einer von uns Menschen.
In Jesus von Nazareth, der der Christus ist, können wir sehen, wie Gott ist. Er ist der Immanuel – Gott mit uns. Eine Aufgabe bleibt freilich für uns übrig: Wir müssen es glauben!
P. Peter Gangl SJ, 11. Dezember 2022
Sehen lernen
Der Aufruf, zu sehen, begegnet uns im Buch Jesaja: „Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben“ (Jes 7,14).
Dieses Wort „siehe“ will unsere Aufmerksamkeit wecken. Hervorgehoben ist die Bedeutung des Augenblicks: Jetzt geschieht etwas, schau her! Pass auf! Versäum es nicht! Sei wachsam!
Advent – das ist eine Zeit des Wachens und des Sehen-Lernens. Denn Gott, der Herr, kommt! Er kommt jedoch nicht in spektakulärer Weise, sodass man es sofort sehen würde, sondern unscheinbar. Gott hat das Gewöhnliche des menschlichen Lebens angenommen, um uns nahe zu sein. Er ist in die Alltäglichkeit meines Lebens gekommen. Es kommt darauf an, ihn darin zu finden.
Für den Hl. Ignatius ist das eine Sache des Übens, und er gibt dazu den Rat: „Nichts tun von irgendeiner Bedeutung, ohne dass wir zuvor durch eine Rückkehr zu Gott und eine wenigstens kurze Erhebung des Geistes von Gott Rat erflehen als vom besten und weisesten Vater.“ – Also: Zwischen den alltäglichen Beschäftigungen innehalten und auf Gott schauen. Meinen Alltag vor Gott zur Sprache bringen. So lernen wir, aufmerksam zu sein für die Gegenwart Gottes in unserem Leben.
P. Peter Gangl SJ, 27. November 2022
Die Kirche lieben
Kürzlich sagte mir jemand, es wäre höchste Zeit, die Kirche so zu gestalten, dass man sich gerne in ihr aufhält. Ich meine, es geht nicht darum, sich eine Kirche nach eigenem Gutdünken zu basteln, sondern die konkrete Kirche zu lieben.
Der Jesuit Karl Rahner (1904-1984) beschreibt, wie diese Liebe erweckt, wachsen und zur Reife gelangen kann:
„Die Liebe zur Kirche bildet sich wahrscheinlich so, wie auch sonst unsere Liebe entsteht. Man entzündet sich am Guten und Schönen eines Menschen, reißt ihn dann herrisch an sich, dann kommen die Krisen und das Leid der Liebe. Man entdeckt, dass der Geliebte anders ist, dass er sich meinen Ansprüchen nicht fügt, sondern fordert, dass ich mich angleiche und nicht verlange, dass er ganz so sei, wie ich will. Durch Spannung, Leid und Enttäuschung bringt er mich vielleicht langsam dazu, dann doch einmal echt zu lieben, selbstlos gut zu sein, mich selbst aufzusprengen und an ihn wegzugeben. So ähnlich müsste es auch mit der Liebe zur Kirche sein. […]
Wir sollen eine Liebe gewinnen, die glaubt, hofft und treu ist, die duldet und betet, ausharrt und nicht sich sucht, sondern wirklich die Kirche und in ihr Gott, den immer noch Größeren, der seinen Geist in sie als ihr Lebensgeheimnis eingesenkt hat“ (Betrachtungen zum Ignatianischen Exerzitienbuch, in: Sämtliche Werke 13, 237-238).
P. Peter Gangl SJ, 13. November 2022
Das echte Gespür für die Kirche
Im Exerzitienbuch des Hl. Ignatius von Loyola finden sich 18 Regeln, die mit den Worten eingeleitet werden: „Um das echte Gespür zu erlangen, das wir in der dienenden Kirche haben sollen, sind die folgenden Regeln zu beachten“ (EB 352).
Modern denkende Christen tun sich mit diesen ignatianischen Weisungen schwer, wenn es etwa in der neunten Regel heißt: „Loben wir endlich alle Vorschriften der Kirche, stets geistig bereit, Gründe zu ihrer Verteidigung zu finden, keineswegs aber zu ihrer Bekämpfung“ (EB 361).
Das ist eigentlich das Gegenteil von dem, was man heute erleben kann. Kirche und kirchliche Aussagen werden von vielen kritisch betrachtet, und sehr schnell wendet man sich enttäuscht ab, wenn ein Wort aus Rom kommt, das nicht ins eigene Konzept von Christ-Sein hineinpasst.
Dagegen empfiehlt Ignatius, auf das Wirken des Heiligen Geistes zu vertrauen. Er weist darauf hin, dass in der Kirche der gleiche Geist waltet, der in Jesus Christus gegenwärtig ist, und der auch jeden von uns „zum Heil unserer Seele leitet und lenkt“ (vgl. EB 365). Mit anderen Worten: Nicht nur ich habe den Heiligen Geist empfangen, sondern auch der andere, mit dem ich mich vielleicht schwertue.
P. Peter Gangl SJ, 1. November 2022
Allzeit beten
Im Lukasevangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern, „dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten“ (Lk 18,1). Dasselbe sagt er auch zu uns. Das heißt freilich nicht, dass wir den ganzen Tag Gebete aufsagen sollen.
Allezeit beten und darin nicht nachlassen, das heißt, das Herz beständig offen halten für Gott. Bei allem, was ich tue: Die Dinge nicht ohne Gott tun. Bei allem, was ich sage: Meine Worte nicht ohne Gott sprechen. Bei jeder Begegnung: Daran denken, Gott ist mit dabei. Gott schaut nicht nur dann auf uns, wenn wir mündlich beten, sondern er will immer mit uns in Beziehung sein. Immer soll unser Herz offen sein für Gott.
Ignatius von Loyola schreibt einmal an seinen Mitbruder Franz Borgia: „Es wäre gut, wenn er darauf schaute, dass Gott sich nicht nur dann des Menschen bedient, wenn er betet. Denn wenn es so wäre, dann wären die Gebete zu kurz, wenn sie weniger als vierundzwanzig Stunden am Tag dauerten.“
P. Peter Gangl SJ, 20. Oktober 2022